Vortrag von Prof. Wolfgang Kubin, Universität Bonn und Goethe-Zitate vorgetragen von Frau Rosemarie Weber – 23. Februar 2012 – Mediothek
Sprach Goethe Chinesisch?
Nein, sicherlich nicht. Aber er beschäftigte sich sein Leben lang mit der chinesischen Schrift und der chinesischen Literatur, d. h. mit einer Welt, die ihm vor allem in Zeiten persönlicher Krisen als wahrer Zufluchtsort diente.
Diese und ähnliche überraschenden Erkenntnisse wurden den Zuhörern von Prof. Wolfgang Kubin, dem bedeutenden Sinologen, Lyriker und Essayisten mit internationalem Renommee, bei einem wissenschaftlich fundierten und gleichzeitig auf privaten Erfahrungen basierenden Vortrag in der Mediothek überzeugend präsentiert. Nachdem Prof. Kubin das Ausmaß und die Grenzen des Goetheschen Studiums der chinesischen Kultur skizziert hatte, analysierte er in einem zweiten Schritt die chinesische Rezeption wichtiger Werke Goethes und betonte die erstaunliche Wertschätzung der Chinesen für das Lied der Mignon, die “Leiden des jungen Werther” und den”Faust”. Die Untersuchung der Goethe-Rezeption im Kontext der jeweiligen historischen Situation (Mai 1919, 1949, Kulturrevolution) beeindruckte durch Präzision und Anschaulichkeit. Dieser faszinierende Vortrag wurde abgerundet durch Kubins Einschätzungen zur allgemeinen Situation der intellektuellen Elite Chinas, die durchaus ein starkes Interesse an deutscher Literatur und Philosophie zeige.
Beeindruckend auch die Rezitation von Frau Viehweg-Weber, die es verstand, die relevanten Passagen aus Goethes Werk dem Publikum nahe zu bringen, so dass der Abend neben wissenschaftlicher Erkenntnis auch Kunstgenuss brachte.